Schiffsfonds galten lange Zeit als Geheimtipp unter Anlegern, die steuerliche Freibeträge bei den …
Bremen Schulden
Bremische SchuldenAuf dem Land leben, aber die City benutzen
Am Ende steht Bremen: Mit knapp 30.000 EUR ist die Pro-Kopf-Verschuldung so hoch wie in keinem anderen Land. So werden die Menschen in Bremen oft als "Griechen der Weser" bezeichnet. Der Erfolg Bremens ist enorm: Großunternehmen, einer der grössten Containerhäfen Europas, weltberühmter Luft- und Raumfahrtstandort. Mit 3,2 Prozentpunkten im Jahr 2011 war das Bruttosozialprodukt in Bremen größer als in Deutschland insgesamt.
Mit einem Brutto-Monatsgehalt von durchschnittlich 3.794 EUR liegen die Briten 133 EUR über dem Durchschnittswert. Nicht nur die ganze Weltöffentlichkeit tagt in Bremen, nein, auch Niedersachsen sieht sich gerne um. Bei einer kurzen Befragung der Beschäftigten im Daimler-Werk Bremen-Hemelingen, die von Werksstudenten für diesen Beitrag vorgenommen wurde, kam man zu dem Ergebnis: Wenigstens die halbe, vielleicht gar drei Viertel der Beschäftigten leben in der Umgebung.
Dass die Menschen bei Daimler keine Ausnahme sind, zeigen die Angaben der Arbeiterkammer Bremen. "Wenn Sie ausserhalb von Bremen wohnen, bezahlen Sie keine Einkommenssteuer. Er benutzt aber Spitäler, Theatern, Schulen, Büchereien und andere Einrichtungen in der Stadt", erläutert André Heinemann, Universitätsprofessor an der Uni Bremen und Chef der Abteilung für finanzpolitische Forschung, die den Informationsservice Finanzen und Politik in regelmäßigen Abständen ausgibt.
Gebr. Heinemann ist Experte für Bremens Schuldenelend. Für die Bremische Schatzkammer ist es aber ein Dilemma. Bleiben diese in Bremen, würde das Staatsvermögen jährlich rund 25 Mio. mehr einnehmen. Obwohl der geringste Staat Deutschlands nicht wohlhabender wäre, würde er 25 Mio. EUR weniger aus dem staatlichen Finanzausgleich erhalten.
Ein weiteres Einwohnerproblem gibt es jedoch, das auch mit dem staatlichen Finanzausgleich zu tun hat. Mit dem Finanzausgleich sollen die Steueraufkommen der Länder harmonisiert werden. Das bedeutet für Bremen, dass das Bundesland für jeden Bewohner, der die Hansestadt verläßt, rund 4.200 EUR aus dem Landesfinanzausgleich einbüßt. Für Bremen ist das sehr bedauerlich, denn die Hansestadt ist schon seit vielen Jahren geschrumpft.
Zum Jahresende 2011 wohnten nur noch 661 301 Menschen in Bremen. Der " Rückzug " wurde in Deutschland zudem durch die bereits angesprochene finanzielle Reform begünstigt, die es auch für die umliegenden Gemeinden Bremens (alle in Niedersachsen) attraktiv machte, neue Bewohner zu gewinnen. Niemand hatte die Vorstellung, dass Bewohner, die außerhalb der Großstadt leben, aber die urbane Verkehrsinfrastruktur benutzen, im staatlichen Finanzausgleich mit einfließen.
Bis in die 1960er Jahre war Bremen ein "Geberland" im staatlichen Finanzausgleich, aber das hat sich seit 1970 geändert. 2,8 Mrd. Schulden sind bis 1979 zusammengekommen - ein gutes Drittel davon ist allein auf Verluste durch die Abwanderung der Einwohner zurückzuführen. Bereits 1977 betrug die Zinssteuerquote, also das Zins-/Steueraufkommen, beachtliche 14,3 Prozentpunkte.
Finanzexperten reden heute von einer drohenden Budgetnotlage in Höhe von 14 %. Die Fremdfinanzierungsquote (Verhältnis von Nettoverschuldung zu Gesamtausgaben) wird mit mehr als neun angesetzt. Diese wird in Bremen seit der Hälfte der 70er Jahre übertroffen. Anders ausgedrückt: Die Spirale der Verschuldung dreht sich in Bremen seit Jahren.
In der Zeit der Entstehung des Schuldenbergs, der heute auf knapp 19 Mrd. EUR angestiegen ist, finden neben der Landflucht zwei weitere Veranstaltungen statt. Ohne diesen würde es beispielsweise keinen Technikpark geben, keinen Zustrom von Studierenden, ganz zu schweigen von den vielen Mio. EUR, die die Einrichtung für "Excellence" erhält.
Jedoch bezahlte das Vaterland den Bau mit nicht vorhandenem Bargeld. Die Arbeitslosenrate in Bremen stieg von 0,9 auf 4,9 Prozentpunkte bis 1979 - und damit auf ein Rekordniveau von 16,8 Prozentpunkten im Jahr 2005 Dafür gibt es eine ganze Menge Gründe.
Obwohl es zu einer enormen Umsatzsteigerung im Seehafen geführt hat, bedeutet es keinen Vorteil für die Arbeit dort. Ganz im Gegenteil: Allein zwischen 1975 und 1985 ging die Anzahl der Dockarbeiter in Bremen von rund 10.000 auf fast 10.000 zurück, auch die Werte im Fischereisektor und insbesondere im Schiffsbau waren gesunken.
Zwischen 1975 und 2000 hat Bremen mehr als 16.500 der rund 17.000 Jobs in den Schiffswerften verloren, weil in Japan und Südkorea viel preiswerter eingenommen wurde. Die Verluste kosteten Bremen zweimal: Der Staat musste eine enorme Steigerung der Sozialhilfe hinnehmen. Da viele der früheren Dockarbeiter nie wieder ins Arbeitsleben zurückgekehrt sind, erklären sich die gesellschaftlichen Differenzen in Bremen und Bremerhaven und warum es in Bremen sowohl große Not als auch einen hohen Durchschnittslohn gibt:
Das Land Bremen leidet noch immer unter den Auswirkungen des strukturellen Wandels, der die bremische Volkswirtschaft verwüstet hat. Schließung der großen Werften AG Weser und der Bremer Vulkan, Umzug der Norddeutschen Lloyd nach Hamburg, Aufgabe der Deutschen Dampfschifffahrts-Gesellschaft Hansa, des Unterhaltungselektronikherstellers Nordmech.... Neben den enormen Bevölkerungsverlusten waren die Insolvenzen der Hauptgrund für den Verschuldungsberg und das Budgetdefizit, das bis 1990 auf 7,5 Mill.
Zur Gegensteuerung wechselte Bremen frühzeitig zu einer keynesianischen, antizyklischen Wirtschafspolitik. Waehrend sich die Einnahmen zwischen 1970 und 1979 fast verdoppelt haben, hat sich das personelle Volumen fast verdreifacht. 1992, als abzusehen war, dass die Haushaltsluecke nicht mehr aus eigener Kraft geschlossen werden kann, gewann Bremen zusammen mit dem Saarland die Finanzhilfe der Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht.
In den Jahren 1994 bis 2004 floss die Hilfe nach Bremen. Grund dafür wären Bevölkerungswachstum und Änderungen im Steuerrecht, vor allem "Entlastungseffekte", d.h. Steuererleichterungen, die sich nach Angaben des Finanzamtes für Bremen stärker negativ als für das Land auswirkten. Von der Krise nach der Jahrhundertwende muss nicht weiter gesprochen werden, aber sie machte sich natürlich auch in Bremen breit.
Im Jahr 2005 waren die Erträge im Land geringer als 1992 Eine Reduzierung oder gar Konsolidierung der Schulden war nicht denkbar. Aber auch die Menschen in Bremen haben 2013 ein ähnliches Schicksal wie in den 90er Jahren: So zum Beispiel die in Bremerhaven gelegene Kaiserschleuse: Allein in den letzten Jahren wurden mehr als 230 Mio. EUR in ihre Sanierung gesteckt.
Jahrhunderts erbaut, sichert die damals größte Hafenschleuse der Welt einen gleichbleibenden Wasserspiegel im Bremerhavener Hafengelände und ist daher für den Automobilumschlag unverzichtbar. Für den bremischen Staatshaushalt nützt es jedoch wenig, da die Steuergelder, die der Staat durch Verkäufe im Seehafen erwirtschaftet, in den staatlichen Finanzausgleich fliessen. Der ehemalige Präsident der Handwerkskammer Bremen berechnete einmal, dass Bremen nur acht Prozentpunkte seines Einkommens durch die Schaffung neuer Jobs im Seehafen erhalte.
Die restlichen 92% werden die anderen Staaten entlasten. Das Bundesland Bremen dagegen übernimmt in der Regel allein die Kosten. Auch das neue Offshore Terminal für die Windkraftindustrie, das in Bremerhaven für schätzungsweise 200 Mio. EUR errichtet wird, wird nicht anders sein. In Norddeutschland sind mehr als 50.000 Menschen von den Bremer Seehäfen abhängig, davon mehr als zehntausend in Niedersachsen und über viertausend in Hamburg.
Davon hat der bremische Staatshaushalt jedoch - jedenfalls im Zuge des bislang erfolgten staatlichen Finanzausgleichs - kaum etwas. Im Jahr 2020 tritt die so genannte Schuldbremse in Kraft, die nun im Basic Law verankert ist. Um sicherzustellen, dass die Bundesländer diese Anforderung bereits jetzt einhalten, hat der Bund für die Schuldnerstaaten spezifische Bedingungen festgelegt, die sie jedes Jahr einhalten müssen.
In Bremen muss das Minus jedes Jahr um 120 Mio. EUR reduziert werden. Gelingt dies nicht, erhält sie vom Staat 300 Mio. EUR weniger. Seit zwei Jahren ist Bremen dieser Forderung bereits nachgekommen. "Das ist ein großer Schritt nach vorn", unterstreicht Bremens Umweltsenatorin und Oberbürgermeisterin Karoline Linnert. "Denn die Leute suchen immer nach einem Schuldigen", sagt Linnert.
"Wenn nichts geschehen wäre, hätten wir bis 2010 rund 2,48 Mrd. EUR mehr geschuldet. Doch die grösste Belastung in der mehr als 40-jährigen Geschichte Bremens ist schwerwiegender als die Renovierung: die Zinsbelastung. Der Freistaat Bayern bezahlt rund 4 Cents für jeden erhaltenen Zinserlös. ln Bremen sind es 24 Cents.